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Städte und Gemeinden benötigen dringend mehr Entscheidungsgewalt in der kommunalen Selbstverwaltung. Sie ist ein hohes, aber bedrohtes Gut, stellt der Bürgermeister von Augustusburg, Dirk Neubauer, in einem Gastbeitrag von KOMMUNAL fest.
Liebe Parteien. Ich mache mir Sorgen. Ich mache mir ernsthaft Sorgen. Der Zustand unserer Gesellschaft hat einen bedenklichen Zustand erreicht. Politik und Bürger sind auf Distanz wie lange nicht. Der Graben zwischen „denen da oben“ und denen „hier unten“. Er ist tief, breit und mit einem „weiter so“ nicht mehr zu überbrücken. Wir, das gesamte Land, brauchen einen Neuanfang. Und das nicht nur wegen der Pandemie, die in den vergangenen Monaten das Land im Würgegriff hält. Und dabei gnadenlos sichtbar macht, dass in unserem Land einiges im Argen liegt. Nein. Unsere Demokratie droht zu sterben. Und das hat sehr viel damit zu tun, dass die Herzkammern der Demokratie, die Kommunen, ebenfalls schwer krank sind. Wenn wir die wirklichen Herausforderungen der Zukunft bewältigen und dabei den sozialen Frieden wahren wollen, müssen wir jetzt alles anders machen! Vertraut den Bürgern! Vertraut den Bürgern! Vertraut den Kommunen! Teilt die Macht und fordert Verantwortung von allen. Sonst werden wir scheitern. Die kommunale Ebene, die Gemeinde, das Dorf, die Stadt. Sie ist Heimat für einen großen Teil der Bevölkerung unseres Landes. Die kleinste Zelle der Demokratie.
Der demokratische Prozess ist der Ort, an dem alles sichtbar und spürbar wird, was Politik generiert. Hier kann der Bürger noch Einfluss nehmen, sich einbringen. Doch die Kommune ist geschwächt. Nachhaltig. Seit Jahren und Jahrzehnten hat sie im politischen Geschäft immer weniger Gewicht. Chronisch unterfinanziert und getrieben von Regeln, Verordnungen und Rahmenbedingungen, die sie selbst kaum beeinflussen kann, ist sie weit weg von wirklich autark zu bezeichnenden Entscheidungsmöglichkeiten. Und trotz aller Zwänge versuchen Kommunen den Bürgern zu liefern, was diese erwarten.
Trotz allem sind Schulen marode, fehlen Kita-Plätze, siecht die Infrastruktur langsam dahin. Wir schieben Milliarden Euro Sanierungsrückstau vor uns her. Auf diese Weise sehen vor allem die kleinen und mittleren Kommunen so langfristig ihrem wirtschaftlichen Ende entgegen. Immer größere Einheiten sollen retten. Größere Verwaltungseinheiten, die kaum noch eine wirklich gute kommunale Arbeit zulassen. Mit dem Ziel, die Kosten senken und oftmals nur frustrierte Mitarbeiter und ebensolche Bürger hervorbringen. Selten werden aber die Kosten gesenkt. Weil die Arbeit dieselbe bleibt. Und während man feststellt, dass diese Schritte selten Erfolg bedeuten, sehen wir, dass Menschen das Gefühl von Heimat verlieren. Weil sie sich nicht mehr wiederfinden in diesen Gebilden, die sie zu laufenden Nummern werden lassen. Entscheidungen werden zunehmend nicht mehr dort getroffen, wo sie am besten getroffen werden können. Subsidiarität verliert an Bedeutung und die Bürger werden immer weniger gefragt. Ihnen bleibt das Wahlkreuz. Oder das Widerspruchsverfahren. Je nachdem, was jedem selbst mehr Aussicht auf „Erfolg“ in seiner Sache verspricht.
Wir brauchen mehr Entscheidungsgewalt in den Kommunen. Es braucht mehr Vertrauen des Bundes und der Länder in die kommunale Selbstverwaltung, die ein hohes aber bedrohtes Gut ist. Wir brauchen mehr Einfluss der Bürger in der Politik. Die wir aber nur erreichen, wenn wir mit ehrlichen Möglichkeiten dazu einladen und Mitmachen wieder real Sinn macht. Und wir müssen aufhören, das große Kümmern als Aufgabe der Politik zu betrachten. Politik muss ermöglichen. Nicht alles erledigen. Denn sie ist kein Lieferservice. Beginnen mit mehr freiem Geld ohne Fördervorbehalte für die Städte und Gemeinden. Hier, wo die Bürger die Haushalte mitgestalten und notfalls direkt widersprechen können. Hier, wo Bürger sich mit Ideen und ihren Gedanken und Meinungen einbringen können (und auch wollen).
Der Staat muß Macht teilen. Denn nichts anderes bedeutet es, Geld von Vorbehalten und Kontrolle zu befreien. Mit denen teilen, die derzeit mehr und mehr verloren zu gehen drohen. Die mehr und mehr davon überzeugt sind, dass sie kaum noch Einfluss auf das haben, was ihr Leben bestimmt. Die in ihrer Ohnmacht oder gar Wut sich abwenden. Wenn wir nicht wollen, dass diese Wut unser Miteinander gefährdet, müssen wir den Bürger wieder ernst nehmen. Und auf Augenhöhe behandeln. Denn anders lassen sich die großen Herausforderungen unserer Zeit nicht im Miteinander lösen.
Quelle: Stärkt die Kommunen! Vertraut den Kommunen! | KOMMUNAL